Die Digitalstrategie des Bundes: Digitalisierung mit Hebelwirkung

Die unter der Federführung von Volker Wissing, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, entstandene Digitalstrategie bildet die Leitschnur der Digitalpolitik der Bundesregierung bis 2025. Diese stellt in den drei Handlungsfeldern „Vernetzte und digital souveräne Gesellschaft“, „Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung“ sowie „Lernender, digitaler Staat“ konkrete Maßnahmen in insgesamt 25 Themenbereichen vor, die sie zur Digitalisierung unseres Landes durchführen will und definiert konkrete Zielvorgaben, an denen sich die Ampel-Koalition im Jahr 2025 messen lassen möchte.

In Kürze – bis 2025 sollen folgende Ziele erreicht werden:

  • Versorgung von mindestens der Hälfte der stationären Internetanschlüsse mit Glasfaser
  • Flächendeckende Verfügbarkeit von unterbrechungsfreien Sprach- und Datendiensten im Mobilfunk
  • Aufbau eines Bildungs-Ökosystems, das einen chancengleichen und barrierefreien Zugang zu digitaler Bildung für alle Altersgruppen eröffnet
  • Nutzung der elektronischen Patientenakte durch mindestens 80% der gesetzlich Krankenversicherten
  • Etablierung eines elektronischen Rezepts als Standard in der Arzneimittelversorgung
  • Entwicklung eines modernen Rechtsrahmens für die Datenökonomie und einer besser vernetzten Nutzung von Daten in Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft
  • Stärkung des Startup-Ökosystems sowie die Unterstützung von mittelständischen Unternehmen und Startups bei der Nutzung von KI-Anwendungen und Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle
  • Stärkung der Fachkräftebasis für die Digitalisierung und mehr Diversität in der Digitalbranche
  • Verbesserung der Vereinbarkeit von Schriftformerfordernissen mit elektronischen Kommunikationsformen
  • Vereinfachung der Abgabe elektronischer Signaturen
  • Umfassende Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen, damit sich Behördengeschäfte ortsunabhängig und effizient elektronisch erledigen lassen
  • Stärkung der digitalen Souveränität Deutschlands durch zielgerichtete Innovationsförderung
  • Kompetenzausbau in Schlüsseltechnologien und Förderung von Open Source

Vernetzte und digital souveräne Gesellschaft, u.a.

Digitale Infrastruktur

Die Bundesregierung zielt auf eine flächendeckende energie- und ressourceneffiziente Versorgung mit Glasfaseranschlüssen sowie neuesten Mobilfunkstandards ab. Hierfür sollen Genehmigungsverfahren vereinfacht und digitalisiert, bauliche Anforderungen vereinfacht und durch die Einrichtung eines digitalen „Gigabit-Grundbuches“ die Transparenz für die Planung des Infrastrukturausbaus erhöht werden.

Bildung in allen Lebensphasen

Für mehr Digital- und Daten- sowie Wirtschafts- und Finanzkompetenzen plant die Bundesregierung mehr und gezieltere Investitionen in (berufliche) Aus-, Fort- und Weiterbildung. Lern- und Bildungsprogramme wie der Digitalpakt und der MINT-Aktionsplan sollen ausgebaut werden.

Gesundheit und Pflege

Deutschland soll eine Vorreiterrolle in Digital Health einnehmen. Dadurch soll sich sowohl die Versorgung der Patientinnen und Patienten als auch die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und Gesundheitsberufe verbessern. Hierfür soll die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept als Standard etabliert werden. Freiwillige Datenspenden und einheitliche Standards sollen die (grenzüberschreitende) Gesundheitsversorgung und -forschung erleichtern.

Mobilität

Digitale Vernetzung und Automatisierung sollen das Erreichen eines effizienten, sicheren, inklusive, leistungsfähigen und nachhaltigen Mobilitätssystems unterstützen. Deutschlands Position als Innovationsstandort soll weiter ausgebaut und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie im internationalen Kontext gesichert werden. Mobilitätsdaten sollen Grundlage für digitale Anwendungen und innovative Geschäftsmodelle im Mobilitätssektor werden und die Nutzung der Verkehrsmittel für die Bürgerinnen und Bürger erleichtern.

Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung, u.a.

Datenökonomie

Die Gestaltung einer attraktiven, sicheren und agilen Datrnwirtschaft gehört zu den strategischen Prioritäten der Bundesregierung. Sie ist Grundlage für künftige Wettbewerbsfähigkeit und ermöglicht eine effektive Nutzung des Potenzials von Daten, um das Leben für alle Menschen besser zu machen. Es soll ein Rahmen geschaffen werden, um Dateninfrastrukturen wie Datenplattformen und Datenräume bis hin zu einem einheitlichen europäischen Daten-Binnenmarkt aufzubauen.

Wissenschaft und Forschung

Daten sollen in großem Umfang für die Forschung verfügbar gemacht werden, wodurch ein wissenschafts- und innovationsfreundliches Datenökosystem entstehen soll. Dies kommt auch Technologien mit künstlicher Intelligenz zu Gute, die auf große Datenmengen angewiesen sind. In der Nutzung solcher Spitzentechnologien sollen deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtung Teil der globalen Spitzengruppe werden.

Neue Arbeitswelt

Zur Stärkung des Standorts Deutschland als Hort für Spitzenforschung und innovative Unternehmen werden Unternehmensgründungen vereinfacht, schnell und ortsunabhängig digital möglich sein. Auch Wagniskapital steht zur Verfügung und Ausgründungen aus Wissenschaft und Forschung werden bessere Rahmenbedingungen vorfinden. Das verbessert die Möglichkeiten für den Forschungstransfer. Arbeitnehmer sollen mehr Teilhabe am Erfolg von Startups erhalten, durch bessere steuerliche Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Die Fachkräftebasis der Digitalbranche soll deutlich gestärkt werden, für mehr Diversität und eine gute Wettbewerbsposition im Kampf um Arbeitskräfte soll gesorgt werden. Auch der Staat soll durch eigene Hochschul- und berufliche Bildung sowie Weiterbildungsangebote bessere Möglichkeiten haben, den eigenen Qualifizierungsbedarf zu decken.

Lernender, digitaler Staat, u.a.

Digitale Verwaltung

„Digitale Verwaltungsleistungen müssen für alle Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen möglichst einfach, barrierefrei, sicher, jederzeit, transparent und an jedem Ort nutzbar sein und zu spürbaren Erleichterungen im Alltag führen.“ Im Lichte dieses Ziels will die Bundesregierung die technischen, rechtlichen und organisatorischen Voraussetzung für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung schaffen. Ein Digitalcheck soll Gesetzentwürfe aus Prozesssicht digitaltauglich gestalten. Schriftformerfordernisse und Digitalisierung sollen sich künftig nicht mehr ausschließen. Ein digitaler Staat soll digitale Plattformen und Werkzeuge zur Datenauswertung nutzen und Erkenntnisse für die evidenzbasierte Vorbereitung von Entscheidungen gewinnen. Die Verwaltungsmitarbeiter sollen nachhaltig digital geschult und dadurch entlastet werden.

Open Data

Öffentlich erhobene Daten sollen aktuell, frei zugänglich, gut strukturiert und maschinenlesbar sein, sodass sie die Grundlage für gemeinwohlorientierte Datenarbeit bilden und die Entwicklung innovativer digitale Lösungen in Wirtschaft und Zivilgesellschaft fördern. Die Bundesregierung möchte einen Rechtsanspruch auf Open Data schaffen und durch die Einrichtung, Weiterentwicklung und dauerhafte Verstetigung von Datenlaboren die Datenkompetenz der Verwaltungen des Bundes stärken. Geeignete Werkzeuge zur Auswertung und Analyse will der Bund zur Verfügung stellen. So soll die Verfügbarkeit von Verwaltungs- und Forschungsdaten verbessert werden, damit sie von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung selbst besser genutzt werden können.

Cybersecurity

Die Fähigkeiten zur frühzeitigen Erkennung, Vermeidung und Abwehr von Bedrohungen aus dem Cyberraum sollen gemeinsam mit Partnern deutlich gestärkt werden. Die polizeiliche IT-Infrastruktur soll durch Harminisierung und Modernisierung effizienter und zielgerichteter gestaltet werden.

Internationale Datenpolitik

Deutschland setzt sich für einen vertrauensvollen regel- und wertebasierten Austausch von Daten zwischen demokratischen Staaten und für ein globales, offenes, freies und sicheres Internet ein. Eine Verlängerung des Mandats des Internet Governance Forums bzw der Weiterentwicklung des Multistakeholder-Ansatzes über 2025 hinaus durch eine Intensivierung der digitalpolitischen Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Staaten ist Grundvoraussetzung für diese Politik.

Bewertung der Digitalstrategie

Kritiker mögen der Bundesregierung vorwerfen, ihr mangele es bei der Digitalstrategie an Ambitionen. Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass die neue Bundesregierung eine realistische Zielsetzung einer allzu blumigen Zukunftsvision vorzieht. Oder wie Digitalminister Wissing es bei der Vorstellung der Digitalstrategie formulierte: „In der letzten Legislaturperiode wurde zu oft von Flugtaxis im Alltag gesprochen und dabei vergessen, was tatsächlich erst einmal erreicht werden muss.“

Wer bereits Wissings Gigabitstrategie kennt, wird jedoch auf viele bekannte Maßnahmen und Zielsetzungen stoßen. Häufig schreibt sie auch nur das fest, was ohnehin bereits auf den Weg gebracht wurde bzw. zur Kategorie „Altbekanntes“ gehört und in der alten schwarz-roten Koalition an seiner Umsetzung gemangelt hat. Zumindest lässt sich feststellen, dass es der neuen Bundesregierung nicht an dem Willen fehlt, die zahlreichen digitalpolitischen Versäumnisse ihrer Vorgänger endlich anzupacken.

Die Digitalstrategie ist nicht visionär, aber im Wesentlichen ambitioniert und realistisch. Allerdings hat es neun Monate gebraucht, bis sich das Kabinett auf die Strategie geeinigt hat. Bleibt zu hoffen, die sie nicht im Gewirr von Federführungen und Zuständigkeiten erlahmt, sondern an Fahrt zulegt.