Wir waren die Generation Guido.
Heute vor 6 Jahren verstarb Guido Westerwelle – er begründete die:
Generation Guido
Ein Nachruf, verfasst am 18. März 2016:
Eigentlich fühle ich mich zu klein für einen Nachruf auf einen der ganz Großen. Doch Guido Westerwelle hat über 40 Jahre die FDP mehr geprägt als jeder andere. Wir waren die Generation Guido. Aus den neu gegründeten Jungen Liberalen machte er mehr als nur die „Wendejugend“ (Bonner Wende von 1982), er löste sie aus ihrer Hilfsfunktion für den rechten, konservativliberalen Parteiflügel und der Hilfstruppe der FDP („Plakatklebetruppe“) hinaus. Guido hämmerte den JuLis eine klare inhaltliche Ausrichtung ein:
„Gesellschaftliche Freiheit und wirtschaftliche Freiheit sind zwei Seiten einer Medaille“
Und verschaffte ihnen eine eigenständige Rolle nach dem Prinzip „nicht linker, nicht rechter, sondern liberaler Flügel der Partei“ (Christoph Dammermann). Als FDP-Generalsekretär stoppte er den Niedergang der „wie ein Kieselstein abgeschliffenen FDP“ (Gisela Babel) nach einem ähnlichen Rezept wie er die JuLis nach vorne brachte: Von der reinen Funktionspartei entwickelte er sie zur radikalen Programmpartei, die Bürgerrechte und Marktwirtschaft verband, auch wenn sicher ökonomische Fragen im Vordergrund standen. Dies ist bis heute das Fundament der FDP. (Der Radikalismus der Programmatik sollte später ein Problem bei der Umsetzung in Regierungspolitik, aber auch beim Abgleich von Erwartungen und Ergebnissen werden – mit dem Programm hatten sich auch die Erwartungen radikalisiert.)
Bei dieser Profilierung half ihm die Gabe, komplexe Inhalte auf ihren Wesenskern reduzieren zu können. Westerwelle konnte provozieren, ironisieren und zuspitzen. Das mir vom ehemaligen Offenbacher Oberbürgermeister angehängte Etikett des “Westerwelles von Offenbach” war dabei bestenfalls ein zweischneidiges Kompliment: man meinte wohl eher Taschenbuchausgabe und etwas weniger laut ginge auch. Ich hingegen trug es als später Teil der Generation Guido mit Stolz – gleichsam als Adelstitel. Guido konnte hart austeilen, aber selten bis nie unter der Gürtellinie. Und nie nahm er seinen Gegnern die Ehre.
Der politische Vernichtungsfeldzug durch Teile der politischen Konkurrenz, aber auch durch Teile der veröffentlichten Meinung aufgrund der von diesen bewusst missverstandenen Äußerung zur “römischen Dekadenz” gehören für mich zu den größten politischen Schmierenstücken der letzten Jahren.
Die von ihm selbst häufig zitierte „rheinische Frohnatur“ war er allerdings wohl nur, wenn er sich wohl in seiner Umgebung fühlte, so etwa in seiner „JuLi-Familie“. Legendär ein anzüglicher Dialog mit dem damaligen JuLi-Bundesvorsitzenden Michael Kauch beim BuKo in Köln. Weniger wohl fühlte er sich erkennbar im „Big Brother Haus“ oder auch bei ihm nicht wohlgesonnenen Parteifreunden.
Ansonsten trifft, aus der Distanz betrachtet, „preußische Tugenden“ seinen Charakter mehr. So griff er auch, unsanft aus dem Amt des Parteivorsitzenden befördert, seinen Nachfolgern nicht in die Speichen. Er war ein echter Parteisoldat.
Und vielleicht – und ganz vielleicht stimmt es ja, was Ralph Lange, einer seiner Nachfolger im Amt des JuLi-Bundesvorsitzenden sinngemäß schrieb, dass es ihm nach den Wahlerfolgen nun leichter fiel zu gehen, weil er die Partei gerettet sieht. Zumindest wird ihm der neue Aufschwung der FDP sein Herz erleichtert haben. Heute ist ein trauriger Tag für die liberale Familie. Und ein schlechter Tag für den politischen Liberalismus in Deutschland. Danke für Alles.
Foto: State Chancellery of Latvia, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons, changes were made