Weidmann, Nagel und Co.: Die aus dem Ginnheimer Zwinger

21.01.2022
(c) Can Stock Photo / berliner

Als inmitten der Eurokrise vor 10 Jahren Jens Weidmann Präsident der Bundesbank wurde, nölte manch einer: Merkel holt sich ihren Sherpa an die Bundesbankspitze. Dies hatte Zweifel genähert an der von den Deutschen doch immer so hochgehaltenen Unabhängigkeit der Notenbank. „Wir hatten früher Bundesbankpräsidenten von ganz anderem Format“, schrieb ein heutiger, liberaler Bundestagsabgeordneter. Und richtig: eine oberflächliche Anscheinsvermutung sprach für diese These, wechselte Weidmann doch als Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik und persönlicher Beauftragter der Bundeskanzlerin für die Weltwirtschaftsgipfel direkt in den 13. Stock in der Wilhelm-Epstein Straße.

Das brutalistische Hauptgebäude mit massigen 217 Metern Breite im Niemandsland zwischen Ginnheim und Bockenheim wirkt seltsam aus der Zeit gefallen. Wie eine Trutzburg aus Beton gegen die Geldflutungsökonomen der EZB. 

Daran hat sich auch nach 10 Jahren Weidmann nichts geändert. Im Gegenteil: der im Vergleich zu seinem eher eruptiven Vorgänger Axel Weber ungleich bedächtigere Weidmann änderte Tonlage, aber nicht Lagebeurteilung. Seine Kritiker der ersten Stunde hatten drei Punkte übersehen: Erstens Weidmann war in erster Linie ein excellenter Ökonom, was er unter anderem als Generalsekretärs des Sachverständigenrats bewiesen hatte. Zweitens: Bevor er zur Kanzlerin wechselte, war er sowas wie der aufsteigende Starökonom der Bundesbank. Eher ein Zögling Webers als später Merkels. Drittens: Ein Bundesbankpräsident ist letztlich auch nur sowas wie Spitze der Hausmeinung und zu Rollenkonformität gezwungen. Und die Fundamente des Hauses aus Beton Brut ragen tief in den stabilen Frankfurter Boden. Und genau deshalb klangen die Nachrufe auf Weidmanns Zeit dann denen auf Weber sehr ähnlich.

Der neue Bundesbankpräsident Joachim Nagel ähnelt Weidmann in manchem. Ähnlich wie er ist Nagel ein Rückkehrer zur Bundesbank, ähnlich war er ehemals Mitarbeiter der Bundesbank, hatte also die Rolle der Bundesbank nahezu mit der Muttermilch aufgesogen und ist keine rein politische Vorstandsbesetzung wie manche Besetzung zuvor, man denke nur an den ehemaligen Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke.

Nagel hat das Parteibuch der SPD. Dennoch ist er mehr der Zögling Lindners als der Sozialdemokraten.

Denn die hätte wohl lieber einen Weich-Euro-Theoretiker wie Marcel Fratzscher oder Isabel Schnabel gesehen. Wenn man also die Rolle der FDP in der Ampel-Koalition bewerten will, fällt mir als erstes nicht ein, dass die FDP Tempo 130 abgeräumt hat, sondern dass sie verhindert hat, dass die Ginnheimer Trutzburg geschliffen wird.

Nagel freilich wird viel diplomatisches Geschick besitzen müssen, um erfolgreich in der EZB wirken zu können. Manchmal, unter Weber zumal, wirkte doch die Bundesbank weniger wie eine Trutzburg, sondern mehr wie ein Zwinger, in den man Hunde einsperrt, damit sie bellen können, aber nicht mehr beißen. Die Bundesbank hat seit ihrer Gründung in der EZB sukzessive an Gewicht verloren. Aktuell wird das Gebäude der Bundesbank von 1972 saniert. Hoffentlich bleibt viel übrig von der Stabiltätskultur, die es symbolisiert. Schon die Sitzung des EZB Rats am 3. Februar wird erste Hinweise geben.

Stirböcks Zwischenrufe abonnieren und zuerst von neuen Beiträgen erfahren:

Sie scheinen Inhaltsblocker zu verwenden, die die vollständige Funktionsweise dieser Website unterbinden. Bitte deaktivieren Sie Ihre Inhaltsblocker, um das Kontaktformular zu nutzen.